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Warum soll bei Servoantrieben das Lastträgheitsmoment nicht größer als das 10-fache Motorträgheitsmoment sein?

Antwort der Redaktion

Das Lastträgheitsmoment ist über die Motorwelle mit dem Motorträgheitsmoment verbunden. Die Motorwelle ist kein idealer Übertrager sondern stellt bei genauerer Betrachtung ein Feder-Dämpfer-System dar, das bei Übertragung eines Drehmomentes einer Torsion ausgesetzt ist. Die starre Mechanik, die im Allgemeinen im Signalflussplan des geregelten Servoantriebes verwendet wird, muss durch eine schwingungsfähige Mechanik ersetzt werden.

Starre Mechanik

Schwingungsfähige Mechanik

Als neue Parameter treten jetzt die Federkonstante C und die Dämpfung D auf. Die Dämpfung D ist bei Wellen aus Stahl recht klein und kann zur Vereinfachung der Betrachtungen auch auf 0 gesetzt werden.

Für die Bestimmung der Federkonstante soll ein konkreter Servomotor mit folgenden Daten betrachtet werden:

Nennmoment M_M 5,3 Nm
Nenndrehzahl n_M 2000 1/min
Motorträgheitsmoment J_M 0,00077 kgm²
Radius der Motorwelle r_M 0,012 m
Längenanteil der Motorwelle, der sich durch Torsion verformen kann l_M 0,05 m
Schubmodul für Stahl (Material der Welle) G 80 000 MN/m²

 

Die Federkonstante C ergibt sich dann zu:

Wählt man das Lastträgheitsmoment gleich dem Motorträgheitsmoment und ermittelt man für diese Daten den Amplitudengang der Motordrehzahl als Funktion des Motordrehmoments, ergibt sich der nachfolgend dargestellte Verlauf.

Die Motordrehzahl weist eine Tilgerfrequenz von 8,2 kHz und eine Resonanzfrequenz von 11,6 kHz auf.

Um die Auswirkungen dieser Frequenzen zu bewerten, muss der Betriebsbereich des Servoantriebes betrachtet werden. Stromregler in Servoantrieben haben eine typische Anregelzeit T_an von 1 ms. Die maximale Kreisfrequenz, die der Stromregler im Motordrehmoment erzeugen kann, liegt näherungsweise bei 1/T_an = 3,1 kHz. Tilgerfrequenz und Resonanzfrequenz liegen also deutlich oberhalb des Arbeitsbereiches des Stromreglers und werden damit nicht angeregt. Die Anregelzeit eines nach dem symmetrischen Optimum eingestellten Drehzahlreglers liegt bei ca. 3 ms. Seine Grenzfrequenz beträgt dann ca. 1 kHz.

Diese Situation verändert sich jedoch, wenn die Lastträgheit auf den 10-fachen Wert des Motorträgheitsmomentes erhöht wird.

Die Motordrehzahl weist jetzt eine Tilgerfrequenz von 2,6 kHz und eine Resonanzfrequenz von 8,6 Kz auf. Beide Frequenzen wandern nach links und verschlechtern damit die Eigenschaften des Servoantriebes:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass der Stromregler die Resonanzfrequenz anregt, steigt. Es ist mit Schwingungen in der Motordrehzahl zu rechnen.
  • Die Tilgerfrequenz nähert sich dem Arbeitsbereich des Drehzahlreglers und begrenzt seine Dynamik.

Bei einer weiteren Erhöhung des Lastträgheitsmomentes wandern die Tilger- und Resonanzfrequenz noch weiter nach links und die negativen Auswirkungen auf das Regelverhalten des Servoantriebes steigen. Um diese zu vermeiden, muss die maximale Kreisfrequenz des Stromreglers durch veränderter Reglerparameter oder zusätzliche Filter im Stromsollwert abgesenkt werden. Damit sinkt allerdings die erreichbare Dynamik des Servoantriebes - aber insbesondere die Schwingungen in der Motordrehzahl können verringert werden.

Es liegt in der Verantwortung des Anwenders zu entscheiden, ob die notwendige Absenkung der Dynamik bei hohen Lastträgheitsmomenten akzeptabel ist. Ist sie nicht akzeptabel, muss ein Servomotor mit einer dickeren Motorwelle verwendet werden. Eine dickere Motorwelle erhöht die Federkonstante und verschiebt die Tilger- und Resonanzfrequenz wieder nach rechts. Da es unüblich ist, Servomotoren mit variablem Wellendurchmesser anzubieten, führt die Auswahl eines Motors mit einem größeren Wellendurchmesser in der Regel zu einem Motor mit einem höheren Motorträgheitsmoment. Damit nähert sich das Motorträgheitsmoment wieder dem Lastträgheitsmoment an. Aus diesen Überlegungen heraus hat sich für die praktische Auslegung von Servomotoren die empirische Regel herausgebildet, dass das Lastträgheitsmoment nicht größer sein sollte als das 10-fache Motorträgheitsmoment.

 


 

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