Die Kenngrößen für den S1-Betrieb beziehen sich auf eine
stationäre Last, die den Motor bis auf seine Endtemperatur erwärmt.
Real vorhanden ist jedoch eine zeitlich veränderliche Belastung.
Um nach der S1-Kennlinie auslegen zu können wird die veränderliche
Belastung auf eine stationäre Ersatzlast zurückgeführt,
die den Motor in gleicher Weise erwärmt. Auf Basis der Ersatzlast
erfolgt dann die Auswahl des Motors. Ein kurzes Lastspiel ist immer dann
gegeben, wenn die Dauer des Lastspiels kleiner als ein Zehntel der thermischen
Zeitkonstante des Motors ist.
TLastspiel < 0,1Tth
Die
Verluste im Motor werden im wesentlichen durch den ohmschen Widerstand
der Wicklungen hervorgerufen. Die Verlustleistung ist damit proportional
dem Quadrat des fließenden Stromes.
Der Strom wird wiederum vom abgegebene Drehmoment bestimmt. Folglich besteht
ein proportionaler Zusammenhang zwischen der Verlustleistung und dem Quadrat
des abgegebenen Drehmomentes. Die Ersatzlast wird deshalb auf der Basis
des vom Motor abgegebenen Drehmomentes bestimmt. Man definiert ein Effektivmoment
Meff, das nach folgender Formel zu berechnen
ist:
Das Effektivmoment stellt ein stationäres Ersatzmoment dar, das mit Mittel die gleiche Erwärmung wie der tatsächliche Drehmomentverlauf hervorruft.
Aus dem nebenstehenden Diagramm ist zu erkennen, daß der tatsächliche Temperaturverlauf die mittlere Temperatur zeitweise überschreitet. Ist die Dauer des Lastspieles kleiner als die thermische Zeitkonstante des Motors, liegen die auftretenden Maximaltemperaturen jedoch nur gering über der mittleren Temperatur und führen damit nicht zu einer wesentliche schnelleren Alterung der Wicklungsisolation. Da Lastspiele in Servoanwendungen oft nur eine Dauer von wenigen Sekunden aufweisen, ist die Bedingung TLastspiel < 0,1Tth im allgemeinen erfüllt ("kurzes Lastspiel").
Bei der Berechnung des Effektivmomentes wurde bisher vernachlässigt, dass auch die Drehzahl (bzw. die Frequenz der speisenden Spannung) einen Einfluss auf die Verluste im Motor hat. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, wird neben dem Effektivmoment zusätzlich die mittlere absolute Drehzahl des Lastspiels ermittelt.
Hinweis: Für eine konservative Auslegung wird auf die Berechnung der mittleren absoluten Drehzahl verzichtet und einfach der Betrag der maximal auftretenden Drehzahl verwendet
Aus dem Effektivmoment und der mittleren absoluten Drehzahl ergibt sich ein Ersatzarbeitspunkt für den stationären Betrieb des Motors. Würde der Motor an diesem Arbeitspunkt betrieben, würde sich die gleiche Erwärmung wie bei dem eigentlich vorhandenen Lastspiel einstellen. Um thermische Reserven einzubauen, sollte das ermittelte Effektivmoment noch mit dem Faktor 1,1 multipliziert werden. So führen Änderungen des Lastspiels, die während der Lebensdauer einer Maschine oder Anlage durchaus vorkommen, nicht zur thermischen Überlastung des Motors.
Für jeden Motor, der aufgrund der zuvor durchgeführten mechanischen
Auslegung noch in Betracht kommt, wird nun der Ersatzarbeitspunkt in sein
Drehmoment-Drehzahl-Diagramm eingetragen. Liegt der Ersatzarbeitspunkt
unterhalb der Kennlinie für den S1-Betrieb, ist der entsprechende
Motor unter thermischen Gesichtspunkten in der Lage, das geforderte Lastspiel
zu erfüllen.
Alle
Motoren, die diese Bedingung erfüllen, werden für weitere Auslegungsschritte
beibehalten. Alle anderen Motoren scheiden aus.
Beispiel:
Im Bild ist Motor 1 für das Lastspiel geeignet. Motor 2 würde
thermisch überlastet und kann deshalb nicht verwendet werden.
Servoantriebe werden nicht ausschließlich in Servoanwendungen eingesetzt. Aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften wie
erfreuen sich Servomotoren zunehmender Beliebtheit auch in "artfremden" Anwendungen. Damit einher geht jedoch, daß auch "untypische" Lastspiele abgedeckt werden müssen und die Bedingung TLastspiel < 0,1Tth nicht mehr gegeben ist. Ein "langes Lastspiel" ist definiert durch:
TLastspiel > 0,1Tth.
Bei diesen Lastspielen ist es durchaus möglich, dass sich der Motor innerhalb des Lastspiels temporär auf eine Temperatur, die deutlich über der mittleren Temperatur liegt, erwärmt und die Wicklungsisolation damit unzulässig beansprucht wird. Die auftretende Maximaltemperatur kann dann nicht mehr einfach vernachlässigt werden.
Um Motoren für derartige Anwendungen auslegen zu können, zerlegt man das Lastspiel in kurze Einzellastspiele, für die jeweils wieder die Bedingung
TLastspiel < 0,1Tth
gilt. Für jedes Einzellastspiel wird nun der Ersatzarbeitspunkt bestehend aus mittlerer absoluter Drehzahl und Effektivmoment berechnet. Alle errechneten Ersatzarbeitspunkte werden in das Drehmoment-Drehzahl-Diagramm der in Betracht kommenden Motoren eingetragen. Liegen aller Ersatzarbeitspunkte unterhalb der Kennlinie für den S1-Betrieb, ist der entsprechende Motor unter thermischen Gesichtspunkten in der Lage, das geforderte "lange Lastspiel" zu erfüllen.
Beispiel:
Im Bild ist Motor 1 für das Lastspiel geeignet. Motor 2 würde
durch das Einzellastspiel 2 thermisch überlastet und kann deshalb
nicht verwendet werden.
Bei der Auswahl der Einzellastspiele innerhalb des gesamten Lastspiels
ist ein gewisses Augenmaß erforderlich. Oft ist auf einen Blick
schon erkennbar, in welchem Zeitabschnitt die maximale Erwärmung
des Motors auftreten wird und wo das für die Auslegung entscheidende
Einzellastspiel liegt. Dann berechnet man nur für dieses Einzellastspiel
das Effektivmoment und wählt den Motor entsprechend aus.
Ist
eine eindeutige Identifikation des prägenden Einzellastspieles nicht
möglich, definiert man einen Zeitabschnitt mit einer maximalen Länge
von 0,1Tth, verschiebt diesen Zeitabschnitt
in kleinen Schritten über das Lastspiel und berechnet für jede
Lage des Zeitabschnitts das Effektivmoment. Das größte errechnete
Effektivmoment wird für die Auswahl des Motors verwendet.
Die geschilderte Vorgehensweise führt immer zu einer Auslegung, die den Motor thermisch nicht überlastet. Bei "langen Lastspielen" mit Betriebs- und Pausenzeiten größer als 0,1Tth kann diese Vorgehensweise jedoch zu einer sehr starken Überdimensionierung des Motors führen. Die Auslegung ist dann zwar aus thermischer Sicht korrekt aber nicht mehr wirtschaftlich. Besonders bei Lastspielen, die einem S3- oder S6-Betrieb ähneln, ist diese Gefahr sehr groß. In diesem Fall ist entweder eine Simulation der tatsächlich auftretenden Motorerwärmung oder eine Auslegung nach S3-Kennlinie besser geeignet.
Der S3-Betrieb wird auch als Aussetzbetrieb bezeichnet. Er ist durch
eine periodische Belastungsphase und eine Pause gekennzeichnet. Während
der Pausenzeit ist der Motor stromlos und es fallen keine Verluste an.
Während der Belastungsphase steigt die Motortemperatur, während
der Pausenzeiten kühlt er sich der Motor wieder ab.
Die Belastungsphase wird durch das vom Motor aufzubringende Drehmoment
und die Motordrehzahl beschrieben.
Wesentlich für die thermische Auslegung ist das Verhältnis von Belastungszeit tB und Pausenzeit tP. Es wird durch die relative Einschaltdauer ED beschrieben:
tB
|
|||
ED =
|
|
* 100% | |
tB+tP
|
Üblicherweise werden Kennlinien für verschiedene Werte der relativen Einschaltdauer angegeben.
Der Arbeitspunkt, der das konkrete Lastspiel beschreibt, wird in das Drehmoment-Drehzahl-Diagramm der in Betracht kommenden Motoren eingetragen. Der Anwender muss aus den gegebenen Kennlinien "seine" Kennlinie interpolieren, die der relativen Einschaltdauer seines konkreten Lastspieles entspricht. Liegt der Arbeitspunkt unterhalb der interpolierten Kennlinie, ist der entsprechende Motor unter thermischen Gesichtspunkten in der Lage, das geforderte Lastspiel zu erfüllen.
Beispiel:
Im Bild ist ein Arbeitspunkt für ein konkretes Lastspiel eingetragen.
Die relative Einschaltdauer des Lastspieles betrage 50 %. Der Arbeitspunkt
liegt unterhalb der interpolierten Kennlinie für diese Einschaltdauer.
Der Motor ist damit für das Lastspiel geeignet.
Hinweis:
Die Auslegung nach S3-Kennlinie geht im allgemeinen von einer Lastspieldauer
von 10 min aus. Bei kürzeren Lastspielen können die gegebenen
Kennlinien gedanklich etwas nach oben verschoben werden. Bei längeren
Lastspielen müssen sie schrittweise bis auf die S1-Kennlinie abgesenkt
werden.
Die Spannungsgrenzkurve begrenzt das Motordrehmoment in Abhängigkeit von der Motordrehzahl bei einer gegebenen Maximalspannung. Diese Grenzkurve berücksichtigt, daß durch die Rotation des Läufers eine Gegenspannung in der Ständer- oder Ankerwicklung induziert wird, die vom Stellgerät kompensiert werden muß. Erst wenn das Stellgerät eine höhere Spannung bereitstellt, kommt es zum Stromfluß in den Wicklungen des Motors. Da die Ausgangsspannung des Stellgerätes begrenzt ist, kann der Motor nicht oberhalb dieser Grenzdrehzahlen betrieben werden (Feldschwächung wird vernachlässigt). Die Spannungsgrenzkurve ist damit eine Begrenzung, die durch das Stellgerät bestimmt wird.
Für die Auswahl eines geeigneten Motors ist es erforderlich, dass alle Arbeitspunkte unterhalb der Spannungsgrenzkurve liegen. Für eine optimale Auslegung des Stellgerätes sollten die Arbeitspunkte unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes von mindestens 10 % so nahe wie möglich an der Spannungsgrenzkurve liegen. Motoren mit großem Abstand zur Spannungsgrenzkurve erfordern im allgemeinen ein Stellgerät mit höherem Bemessungsstrom.
Beispiel: Im Bild ist Motor 1 besser geeignet als Motor 2. Thermisch sind beide Motoren in der Lage, das geforderte Lastspiel abzuarbeiten.
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